Leben mit Epilepsie

Hier mal kurz zusammengefasst was so alles auf einen zukommen kann, wenn man plötzlich und aus heiterem Himmel einen epileptischen Anfall erleidet, kurz darauf die Diagnose Epilepsie bekommt und auf einmal Epileptiker ist.

der.epileptiker

2/1/20246 min read

multicolored hallway
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... Wie so immer im Leben kommt es meist anders, als man denkt. Die Diagnose Epilepsie von heute auf morgen ist erst einmal ein riesiger Schock. War es zumindest definitiv in meinem Fall. Denn 35 Jahre meines Lebens hatte ich mit Epilepsie gar nichts zu tun. Und plötzlich sollte ich Epileptiker sein. Ich hoffe, es geht nicht vielen Menschen so wie mir. Aber mir ist es nun einmal passiert. Ich musste mich also gezwungenermassen damit arrangieren. Ist der erste Schreck nach der Diagnose erst einmal vorbei, und haben Familie und Freunde so langsam kapiert, was die Diagnose bedeutet, dann kommt irgendwann nach einiger Zeit auch ein gewisses Stillschweigeabkommen auf. So nach dem Motto - aus den Augen aus dem Sinn. Zwar sind alle ein wenig schockiert und es wird auch das Thema vieler Diskussionen und Gespräche bleiben, aber da danach jeder ohne Epilepsie nach Hause gehen darf beruhigt sich die Krisenlage doch recht schnell. Einige schleppen zu Anfang noch jede Menge Tipps und Infos ran und ballern Alternativheilmethoden in einen rein was nur geht. Grundsätzlich weiss man ja auch, dass das alles total lieb gemeint ist und das eine oder andere vielleicht sogar hilft. Und da man nach solch einer unverhofften Diagnose selber noch völlig neben sich steht greift man natürlich auch gern nach jedem Grashalm. Meist flauen diese Hilfsangebote jedoch schnell ab, wenn gemerkt wird, dass das alles doch nicht so wirklich hilft. Jetzt ist es halt auch so, dass der eine nur ein bisschen Epilepsie hat, mit wenig Anfällen im Jahr und der andere, so wie ich, unglaublich viele Anfälle hat im Jahr. Unterschied liegt im Detail. Sehr viele haben eine Epilepsie von Geburt an oder zumindest seit Kindheit, viele haben eine begleitende Behinderung oder Hirnschädigung, da liegt der Fall ganz anders als wie bei jemandem wie mir, der es erst im Laufe seines Lebens ohne ersichtlichen Grund bekommen hat. Wobei jede Art von Epilepsie nicht gerade toll ist. Egal wodurch und warum.

... Jetzt ist es so dass man mit der Krankheit natürlich auch einiges verliert im Leben. Am Anfang sind alle total bemüht und engagiert aber das lässt im Laufe der Jahre nach. Ist halt doch recht mühevoll einen Epileptiker mit sich rum zu schleppen. Immer ist man auf der Hut und hofft, dass er keinen Anfall bekommt - denn wen dem dann doch so ist, ists vorbei mit dem schönen Ausflug und dem drum herum. Und wer hat da schon gross Lust zu. Wenns nur ein kleiner Anfall ist, dann gehts ja, ist es aber ein grosser Anfall, dann wirds aufwendig, langwierig und auch gerne mal kompliziert. Und das kann auf die Dauer natürlich ganz schön nervig sein, das mag nicht jeder. Verstehen kann man das erst im Laufe der Zeit wenn man einige Anfälle miterlebt hat. Also nicht wundern wenn die Freunde im Laufe der Zeit immer weniger werden und sich auch Familienmitglieder zurückziehen. Das gleiche gilt auch bei der Arbeit. Am Anfang ist jeder total hilfsbereit und und und... aber im Laufe der Zeit flaut die Hilfsbereitschaft ab und wird immer weniger werden bis es irgendwann anfängt, zu nerven mit dem Epi. Ihm hinterher zu rennen wenn er irgendwo liegt und einen Anfall hat, auf ungewöhnliche Geräusche achten zu müssen, aus seiner Arbeit herausgerissen zu werden weil man erst mal Erste Hilfe leisten muss - das ist irgendwann im laufenden Arbeitsbetrieb nicht mehr so lustig. Und die Toleranz hat überall Grenzen. So nach dem Motto: wir haben nichts gegen Inklusion, solange sie nicht bei uns stattfinden muss. Also auch hier gilt - nicht wundern. Oder versuchen irgendwas mit Gewalt aufrecht halten zu wollen. Das funktioniert im normalen Leben einfach nicht. Und endet meist doch nur in Missverständnissen, Unfrieden und Intoleranz.

... Was darf ein Epileptiker? Die Frage “was kann ich alles machen mit Epilepsie” beantwortet sich fast von allein. Denn eigentlich geht fast alles, nur eben mit gewisser Einschränkung und/oder totalem Verzicht aus Gründen der Sicherheit und zum Schutz anderer und sich selbst. Es muss einfach vorher mit den behandelnden Ärzten abgeklärt werden inwieweit und ob sie zustimmen. Den Rest müsst ihr selber entscheiden. Ein Leben mit Epilepsie ist trotzdem toll. Und mal ehrlich - wer braucht Fundsportarten im Leben. Welches Leben ist nicht lebenswert, nur weil man keinen Bungeesprung machen darf oder aus Versicherungstechnischen Gründen vielleicht nicht mit der Achterbahn fahren darf. Albern.

... Alltag: im Alltag ändert sich einiges. Alles was ihr macht und tut ist immer an die Epilepsie gekoppelt. Habt Ihr wenig Anfälle dann sind es auch wenig Einschränkungen, habt ihr viele Anfälle, dann gibt es einiges mehr abzuklären. Seid ihr euch bei einer Sache nicht so sicher dann handelt immer zugunsten der Epilepie. Warum fragt ihr euch sicher. Ja weil es einfacher ist und einem viel Ärger erspart. Das lernt man einfach im Laufe der Zeit so. Ist zwar nicht immer der spassigere und schönere Weg und macht auch durchaus mal einiges kaputt, an dem man sich gerade erfreut, aber es ist halt besser und gesünder auf die Dauer. Was alles so im Alltag mit Epilepsie anders wird lest ihr hier:

... Kochen: Selbstverständlich kann man mit Epilepsie kochen. Man sollte sich nur durchaus darüber im Klaren sein, dass es nicht immer unbedingt sinnvoll ist, alles alleine machen zu wollen. Epileptische Anfälle haben gerne mal die Angewohnheit ohne Einladung auf der Matte zu stehen. Blöd, wenn man dann gerade mit dem Schnitzmesser Ornamente in die Wassermelone bastelt und gleichzeitig Pommes in der Fritöse jongliert. Um die eigene Sicherheit zu gewährleisten wäre es also durchaus ratsam, sich lieber ein Butterbrot zu schmieren, wenn man sich nicht so gut fühlt und gerade niemand da ist, der einem beim Kochen sonst zur Hand gehen kann. Essen, Trinken bleibt alles beim Alten. Es gibt keine Einschränkung. Zwar werden gerne immer mal wieder verschiedene Diäten diskutiert, die eventuell die Anfallshäufigkeit beeinflussen könnten, aber so wirklich herausgefunden hat noch niemand, was wirklich helfen kann oder könnte. Einzig die ketogene Diät bei kindlicher Epilepsie wird in manchen Fällen empfohlen. Als Erwachsener ist diese Diät aber schlicht nicht umsetzbar sondern zudem auch alles andere als gesund. Und letztendlich nutzt es auch wieder nichts, wenn man weniger Anfälle aber dafür Folgeschäden einer unzureichenden Ernährung zu tragen hat. Ansonsten ist das Essen zuhause unproblematisch, denn es weiss ja eh jeder Bescheid, hoffentlich, was zu tun ist, wenn ihr während dem Essen/Trinken einen Anfall bekommt. Beim auswärts Essen gilt das gleiche, nur sollte man hier vielleicht noch zusätzlich Bekannte und Gasthausmitarbeiter aufklären und auch dem Kellner Bescheid geben. Nicht dass der dann in völliger Unwissenheit und vor lauter Schreck nur blöd schaut wie ihr zappelt, anstatt sofort mithelfen zu können und gleich die Rettung zu rufen oder die anderen Gäste beruhigen kann. So kann nix schief gehen und man kann das Essen und Trinken auch im Restaurant geniessen. Und keine Angst vor der Öffentlichkeit. Wenn man zu Anfällen neigt dann ist das eben so. Sich deswegen zu Hause einzusperren und selbst zu isolieren ist da keine Lösung. Beim Trinken von Alkohol sollte man allerdings ein wenig Maß halten. Jedoch ist gegen ein Glas Sekt oder mal einen Radler überhaupt nichts einzuwenden. Das nennt sich Genuss und gehört zur Lebensqualität. Dasselbe gilt fürs Essen. Die einzige Einschränkung gibt maximal der eigene Bauchumfang vor.;-)

... Autofahren? Das Thema Autofahren als Epileptiker ist ein bisschen heikel. In Österreich muss man mindestens 6 Monate Anfallsfrei sein, in Deutschland mindestens 1 Jahr, um überhaupt Autofahren zu dürfen. Da scheint jedes Land eigene Regeln zu haben. Wer einen Führerschein hat und aus welchen Gründen auch immer plötzlich an epileptischen Anfällen leidet, muss den Führerschein natürlich nicht gleich abgeben. Zumindest ist das in Österreich so. Allerdings sollte man an seine eigene Vernunft appellieren und bei einer Epilepsie, die sich trotz Medikamenten nicht einstellen lässt, die Finger vom Steuer lassen. Autofahren obwohl man weiss, dass man jederzeit einen Anfall bekommen kann, ist und bleibt unverantwortlich. Nicht nur sich selbst gegenüber. Wer jedoch als Epileptiker super auf Medikamente reagiert und keine Anfälle hat, darf selbstverständlich unter oben genannten Voraussetzungen (Anfallsfreiheit über einen gewissen Zeitraum) wieder ans Steuer.

... Der Urlaub. Ja ohne den geht gar nix. Jedem sei er von Herzen gegönnt. Geniesst ihn in vollen Zügen. Denkt nicht laufend an die Epilepsie sondern nur an euch. Kommen Anälle dann ist das halt eben so. Fährt man mit dem Auto z. B. "nur" an den Gardasee, ist alles auch als Epileptiker recht unkompliziert. Bei Fernreisen muss man allerdings ein paar Dinge beachten. Der Arzt kann einem vielleicht einige Tipps geben, wenn der Urlaub in einer anderen Zeitzone stattfinden soll. Zudem sollte man zur Vorsicht auf jedenfall die Fluggesellschaft informieren, hat man vor in den Urlaub zu fliegen. Es macht keinen Spass, erst am Flughafen zu erfahren, dass man seine Epilepsie, zumindest wenn man häufig an Anfällen leidet, vorher hätte anmelden müssen. Das ist alles nur unnötiger Stress. Und Vorsicht: weiss die Besatzung eines Flugzeuges nicht Bescheid, kann ein unvorhergesehener Anfall schnell mal als Notfall in der Flugzeugkabine eingestuft werden und durchaus zu einer Zwischenlandung führen. Zudem darf man in manche Länder nicht einfach so jede Art von Medikamenten einführen. Das muss unbedingt im Vorfeld geklärt und durch ein ärztliches Gutachten bescheinigt werden. Benzodiazepine im Handgepäck ohne Genehmigung bei einer Kontrolle am Flughafen in New York oder Timbuktu könnten vielleicht durchaus spannend werden, hat man keinen Arztbrief dabei, in dem erklärt wird, wofür diese Medikamente dringend benötigt werden. Die fallen nunmal in die Kategorie Betäubungsmittel. Wenn ich selbst in den Urlaub fliege starte ich aus reinem Selbsterhaltungstrieb grundsätzlich einen Informationsrundruf. Ich klappere und kläre alles genau ab, damit mich unvorhergesehene Überraschungen vor Ort gar nicht erst ereilen können. So bin ich immer auf der sicheren Seite und bekomme durch unnötigen Stress nicht noch ein paar Anfälle extra als Urlaubsbonus obendrauf.